Sprachen verändern sich ständig. In Österreich hat es sich z.B. durchgesetzt, dass man nicht mehr nur von „Studenten“ im generischen Sinne spricht, sondern von „Studierenden“. Eine andere Veränderung betrifft Wörter, die aus anderen Sprachen übernommen werden.

Früher waren es Ungarisch (man denke an das ungarische Wort karfiol, das unverändert übernommen wurde) oder Latein („Brief“, von spätlateinisch breve, „kurzes Schreiben, Urkunde“). Heutzutage liefert uns Englisch die meisten Lehnwörter. Wir sagen z.B. nicht mehr Bahnfahrkarte, sondern Zugticket, und der elektronische Rechner ist natürlich der Computer.

Sprachen beschreiben die Wirklichkeit und die Weltanschauung ihrer Sprecher, und das mit möglichst wenig Aufwand. Einerseits gehen darum alte Worte verloren, wenn die dazugehörigen Dinge durch Neues ersetzt wurden oder durch eine veränderte Lebensweise überflüssig geworden sind. Andererseits kommen ständig neue Worte hinzu, wenn neue Gegenstände und Ansichten entwickelt oder übernommen werden.

Strand in Alotau, Papua-Neuguinea

Das gilt auch für die Minderheitensprachen, in denen Mitarbeiter von Wycliff tätig sind. Bei den Saliba in Papua-Neuguinea z.B. sind praktisch alle modernen Gegenstände von außerhalb gekommen, angefangen von der Kleidung bis hin zu Alltagsgegenständen. Das spiegelt sich in der Sprache wider. Das Wort für Messer ist nigwa und kommt vom englischen knife, und das englische Wort spoon, Löffel, wurde zu sipuni. Schuhe sind buuti, von Englisch boots, also Stiefel – wobei das auf Saliba auch Flip-Flops sein können.

Auch manche theologischen Begriffe im Saliba sind Lehnwörter. Die ersten englischen Missionare bei den Saliba fanden z.B. kein Wort für „Kreuz“ und passten darum das Wort stauros aus dem Bibelgriechischen an: Es wurde zu sataulo. Ebenso wurde das Wort „Synagoge“ übernommen als sunago. Beide Wörter hatten auf Saliba ursprünglich keine Bedeutung. Aber sie haben sich etabliert und sind schon lange Teil des christlichen Wortschatzes. Darum verwenden wir sie auch in der Bibelübersetzung auf Saliba.

Ein Saliba-Übersetzungsteam bei der Arbeit

Andere biblische Begriffe waren ursprünglich Lehnwörter, wurden aber im Zuge der Übersetzungsarbeit neu mit Saliba-Worten ausgedrückt. Dazu gehört z.B. das Wort für „Priester“. Das ursprünglich verwendete Lehnwort kohena kam von hebräisch kohen. Aber weil selbst die Saliba-Übersetzer nicht verstanden haben, was ein kohena ist, wurde der Begriff durch eine Wortbildung aus Saliba-Wörtern ersetzt: Taukaitalasam heißt: einer, der Opfer darbringt.

Aber es gibt auch theologische Begriffe, für die nur Saliba-Wörter verwendet werden. „Gnade“ heißt kabinamwa, also: jemanden gut behandeln, jemandem Gutes tun. Und „Buße“ heißt nuwabui, Herz umwenden. Die Stiftshütte im Alten Testament heißt logulogu tabuna, heiliges Schattendach, und der Tempel ist numa tabuna, heiliges Haus.

Es stellen sich hier einige Fragen: Wenn Wörter aus anderen Sprachen übernommen werden, handelt es sich dabei um Sprachentwicklung oder Sprachverstümmelung? Sollen wir sie auch ins Saliba-Wörterbuch aufnehmen? Sollen wir sie in der Bibelübersetzung verwenden? Was ist mit neuen Saliba-Wortschöpfungen?

Die Entscheidung liegt natürlich bei den Saliba selbst. Und es gilt: Lehnwörter werden nicht leichtsinnig eingeführt, aber auch nicht um jeden Preis vermieden!

Indem neue Wörter gebildet und im Sprachgebrauch verankert werden, trägt Bibelübersetzung dazu bei, dass die Saliba-Sprache weiterentwickelt wird. Es können nun mehr Gedanken auf Saliba ausgedrückt werden, für die man sonst auf Englisch ausweichen müsste, insbesondere auch im wichtigen Kontext von Glauben und Kirche.

– von Rainer Oetzel

Ein Gottesdienst bei den Saliba
Sprachentwicklung oder -verstümmelung?