Seit 2005 engagiere ich mich für Projekte in Ost­afrika, bei ­denen das Erwerben und Verbessern der Lesekompetenz ein zentrales Anliegen ist. Ob es sich um eine Nachricht am Mobiltelefon, ein Hinweisschild oder den Beipackzettel eines Medikaments ­handelt­ – wer darauf angewiesen ist, eine Information in schriftlicher Form zu verstehen, muss lesen können.

Zwei afrikanische Frauen lesen Hefte aus weißem, blassgelbem und rosanem Papier. Ein Kind schaut in die Kamera. Sandboden.

Für viele Menschen in Afrika ist es leider nicht selbstverständlich, sinn­erfassend lesen zu lernen. Oft fehlt es an Kursen und Übungs­materialien. In meiner Arbeit als Mitarbeiterin von Wycliff-Österreich helfe ich bei der Herstellung von Lesematerialien. Mehrere Jahre war ich im Südwesten von Tansania stationiert und für das Mbeya-Mehrsprachenprojekt tätig. Ich habe aber auch in anderen Landesteilen von Tansania sowie in Kenia und Uganda bei der Literaturherstellung geholfen und Mitarbeiter ausgebildet. Seit 2017 arbeite ich von Österreich aus für diese Projekte.

Die Menschen vor Ort haben großes Interesse an den Lesefibeln und nehmen gerne an Leseklassen teil. ­Biblische Geschichten eignen sich ebenfalls hervor­ragend für den Leseunterricht. Ähnlich wie in einer ­Kinderbibel werden Geschichten nacherzählt und ­illustriert und am Ende eines jeden Abschnitts mit ­Fragen ergänzt. Im Rahmen von Sonntagsschul-­Klassen in Gemeinden und Kirchen wird mit Hilfe solcher Büchlein das Lesen und Verstehen von Texten geübt.

Auch Bücher mit traditionellen Geschichten werden geschätzt, weil sich selbst in Afrika Großeltern und ­Eltern immer seltener Zeit nehmen, diese alten Geschichten zu erzählen. Wenn sie aufgeschrieben sind, geraten sie nicht so leicht in Vergessenheit.

Durch die Initiative von einheimischen Mitarbeitern sind außerdem ­Bücher zu Umwelt– und Gesundheits­themen entstanden. In einem dieser Bücher werden z.B. die gesundheitlichen Vorzüge von Honig beschrieben, und die Leser bekommen Tipps, wie Imkerei mit lokal vorhandenen Ressourcen betrieben werden kann.

Buchseite. Überschrift: IMBUWA NU DUUMA. Strichzeichnung: Steppe. Hundeartiges Tier schaut zu gefleckter Großkatze auf Ast.
Ausschnitt aus einem traditionellen Geschichtenbüchlein.
– Bild: SIL International

Zum meistverkauften Buch ist aber überraschend ein dreisprachiges Bildwörterbuch über Haustiere, Vögel, Reptilien und Wildtiere avanciert (s. Bild rechts). Es waren sogar schon mehrere Nachdrucke notwendig! Die Menschen haben Freude daran, dass sie durch diese Publikation Ausdrücke in ihrer eigenen Muttersprache in Erinnerung behalten können und diese Wörter gleichzeitig in der Landessprache Swahili und in Englisch lernen.

Wenn ich von den verschiedenen positiven Auswirkungen dieser Projekte auf die Menschen in Ostafrika höre, freut mich das und es motiviert mich zum Weiter­machen.

– von Brigitte Niederseer

SW-Zeichnungen: Kuh mit Kalb, Körperteile in je 3 Sprachen beschriftet. Unten: Pferd, Esel, Kuh, Ochsen, Namen in 3 Sprachen.
Bild: SIL International
Lesestoff, der den Menschen hilft